Hessischer Solidarzuschlag

Studiengebühren sollen Haushalt retten

Sechs Jahre nachdem die ersten Studierenden in Baden-Württemberg für ihr Studium ans Land zahlen durften, ist es jetzt auch in Hessen so weit: Ab dem nächsten Semester sind Studiengebühren geplant.

Haste mal 50+500+X Euro?

Obwohl die Gebühren bereits vorherzusehen waren, ging es mit dem Anfang September angekündigten und bald auch zu verabschiedenden Kürzungsprogramm der CDU am Ende doch schneller als erwartet. Die CDU möchte nicht mehr länger zusehen, wie zehntausende Studierende ›kostenlos‹ die Hochschulen des Landes in Anspruch nehmen, und hat mit dem Defizit im Landeshaushalt eine aktuelle Begründung gefunden, um ›Verwaltungsgebühren‹ in Höhe von 50 Euro pro Semester zu erheben. Ein Studium über die Regelstudienzeit hinaus, deren Name irreführend ist, weil sie ohnehin fast niemand einhalten kann, ist nicht nur innerhalb der Landesregierung verpönt. Doch weil der gesellschaftliche Druck auf ›Langzeitstudierende‹ in den Augen der CDU nicht ausreicht, soll es nun Gebühren geben. Weil diese Gebühren aber nicht nach Strafe klingen sollen, gibt es zur Begrüßung an der Uni ab sofort ein ›Guthaben‹. Da ja ohnehin nur als KundIn von der Universität profitiert wird, werden die in Anspruch genommenen Leistungen vom Guthaben abgezogen. Und wer/welche nicht sorgfältig mit dem Startguthaben umgeht und es falsch investiert, sprich: die Studienrichtung nach dem 2. Semester noch einmal wechselt, bekommt es (wegen unverantwortlichen Umgangs?) weggenommen. Ist dies der Fall oder wenn das Guthaben verbraucht ist ..., logisch: Dann muss eben ein neues gekauft werden.

Das erste Semester nach Verbrauch des Guthabens soll 500 Euro kosten, 700 Euro fallen für das dann folgende, und 900 Euro für jedes anschließende. Für das Zweitstudium werden je nach Fach 500 bis 1500 Euro verlangt.

Außer den regelmäßigen »Verwaltungsgebühren«, die die Einnahmenseite nach oben korrigieren werden, haben die Studiengebühren auf den Etat des Landes zu vernachlässigende Auswirkungen. Diejenigen, die bis Ende Wintersemester 2005/06 ihr Studium abgeschlossen und bis dahin gezahlt haben, bekommen ihr Geld anschließend zurück – machen somit eine Staatsanleihe ohne Zinsen und werden gnädigst verschont. Und alle, die aus den verschiedensten Gründen länger studieren wollten oder mussten, werden sich dem Druck beugen und sich entweder beeilen müssen oder ohne Abschluss exmatrikulieren; mit Ausnahme derjenigen, die es sich leisten können, noch ein paar Semester eingeschrieben zu sein. Die Finanzen des Landes werden durch die ›Langzeitgebühren‹ also nicht besser; jedoch werden die Lebensbedingungen und Zukunftsaussichten von vielen Studierenden radikal geändert: weniger Zeit neben Studium und (Neben-)Job, keine Neuorientierung während des Studiums, Kinder sind undenkbar.

Dass die verschiedenen Gebühren in Hessen gerade jetzt eingeführt werden, ist kein Zufall. Die Landesregierung will einen Haushalt durchsetzen, der deutliche Einsparungen vorsieht und durch verschiedene Gebührenerhöhungen mehr Einnahmen erzielen soll. Studiengebühren sind nur ein Teil davon. Gleichzeitig mussten z.B. die Hochschulen zusagen, dass sie noch einmal 30 Millionen einsparen werden. Gespart wird aber auch bei den hessischen BeamtInnen, sie bekommen weniger Weihnachts- und Urlaubsgeld und dürfen dafür 42 Stunden arbeiten. Noch schlimmer dran sind zahlreiche lokale Initiativen, Vereine und Gruppen (z.B. Sozialberatungen, Frauenhäuser, Bildungsträger), deren Landeszuschüsse gekürzt und oft ganz gestrichen werden.

Der große Gegenschlag?

Langsam regen sich auch die Studierenden und die ASten. Aber es fällt vielen Studierenden schwer, die beiden Arten von Gebühren zu kritisieren. Zu tief sitzt die Überzeugung, dass ja angeblich auch die Studierenden ihren Beitrag zum Sparprogramm der Landesregierung zu leisten hätten. Und Verständnis für diejenigen, die länger studieren müssen oder wollen, kann auch nicht so leicht aufgebracht werden – langes Studieren oder Immatrikuliert-Sein wird auch unter Studierenden als ›asozial‹ angesehen.

Dazu sind die meisten hochschulpolitischen Gruppen immer noch – ob mit oder ohne Verweis auf das fehlende ›allgemein-politische Mandat‹ – der Meinung, dass sie sich politisch auf das, was ›ihre‹ Hochschule oder ›die‹ Studierenden betrifft, beschränken wollen. Es kann so nicht verstanden werden, dass Studiengebühren nur ein Teil einer landesweiten Sparpolitik sind. Es wird so auch nicht diskutiert, dass versteckte oder offene Strafen für ›zu langes Studieren‹ in der ganzen Republik politisch gewollt sind, z.B. um kürzere Zeiten für die ›Ausbildung‹ zu erreichen und alle Menschen in irgendeine Form von Erwerbsarbeit zu zwingen, ob sie wollen oder nicht. Es müsste sich eben auch mit der aktuellen Sozial- und Arbeitsmarktpolitik auseinandergesetzt werden, die es nicht erlaubt, ›erwerbsfähig‹ zu sein und doch nicht jeden Tag malochen zu gehen – und die wird nicht vom Senat der Uni Marburg beschlossen.

Mit dieser verengten Sichtweise von Hochschulpolitik ließe sich höchstens in Verhandlungen erzielen, dass das Semesterticket nur um wenige Euro teurer wird oder die Uni neue PCs bekommt – und dafür Erwerbslose und Kranke weniger Geld bekommen.

(wi)

sputnik