Stairway to Heaven

Der Papst ist tot!

... oder zumindest erwarten wir täglich sein Ableben. Darf man dem katholischen General­inquisitor bzw. Präfekten der Glaubenskongregation, Kardinal Joseph Ratzinger Glauben schenken – und Glauben ist ja bekanntlich die Grundlage der ganzen phantastischen Machtfülle der katholischen Kirche – dann macht’s der amtierende Vertreter Gottes auf Erden, Papst Johannes Paul II., tatsächlich nicht mehr lange. Anfang Oktober wurde verlautbart, dass die letzten Tage von Karol Wojtyla angebrochen wären. Später wurde diese Aussage nach hinten korrigiert, und ihm wurden noch ein paar Wochen oder gar Monate gegeben.

Geleistet hat dieser Papst (sich) so einiges in seinem 25-jährigen Pontifikat. So blickt er zum Beispiel zurück auf eine beeindruckende Liste von Selig- und Heiligsprechungen. Er hat nicht nur die meisten Personen selig- oder heiliggesprochen (über 1300 bzw. 476), nein, er war dabei auch noch ein ganz Fixer: Auf sein Konto geht die schnellste Seligsprechung der neueren Geschichte, die der religiösen Fanatikerin Agnes Gonxha Bojaxhiu, besser bekannt als Mutter Theresa, und auch die schnellste Heiligsprechung, die des Faschisten Josemaria Escriva de Balaguer, dem Gründer der Vereinigung Opus Dei, einem dem Nationalsozialismus und dem Franco-Faschismus nahe stehenden katholischen missionarischen Geheimbund mit mittlerweile weltweit über 80000 Mitgliedern. Er soll inzwischen einflussreicher sein als der Jesuitenorden, dem traditionsgemäß alle Greueltaten der Katholiken zugeschrieben wurden. Balaguer war es übrigens gestattet, sein für eine Heiligsprechung notwendiges Wunder posthum zu vollbringen.

Gegen Faschisten hatten die Oberhäupter der katholische Kirche ja bekanntlich noch nie etwas einzuwenden, so lange nicht die eigenen Pfründe in Gefahr gerieten (siehe Kasten). So sprach Papst Johannes Paul II. zum Beispiel auch Kardinal Alojzije Stepinac selig. Stepinac war Erzbischof von Zagreb, als die Nazis am 6. April 1941 Jugoslawien überfielen, und diente diesen als williger Helfer bei der Vernichtung othodox-serbischer und jüdischer ›Erzfeinde‹ über eine halbe Million Menschen wurden in Kroatien zwischen 1941 und 1945 ermordet. Von der sozialistischen Nachkriegsregierung Jugoslawiens noch wegen Kollaboration mit den Faschisten zu 16 Jahren Zwangsarbeit verurteilt, wurde Stepinac 1998 von Papst Johannes Paul II. bei einem Kroatienbesuch als »Märtyrer des Glaubens« seliggesprochen.

Auch mit noch lebenden Faschisten hat der Papst, scheint’s, kein Problem. So kam Jörg Haider nun schon zweimal in den Genuss einer Papstaudienz. Außerdem sprach sich der Vatikan auch für eine Freilassung des chilenischen Ex-Diktators Augusto Pinochet aus.

Die Kirche und der Sex

Die eigentümliche Besessenheit der katholischen Kirche bezüglich des Themas ›Sexualität‹ und allem, was damit mehr oder weniger direkt zusammenhängt, ist leidlich bekannt. Ihre frauenverachtende Einstellung zu Abtreibung und Verhütung auch. Nicht nur, dass Frauen nicht für Wert gehalten werden, das Wort Gottes zu verkünden, ihnen wird durch die Ächtung von Abtreibung und Verhütung auch das Recht abgesprochen, über ihren eigenen Körper zu bestimmen. Nach dem Motto »seid fruchtbar und mehret Euch« sollen Frauen gezwungen werden, auch gegen ihren Willen Kinder zu gebären.

Blind vor den Realitäten des Lebens verbietet die katholische Lehre ja auch den Gebrauch von Verhütungsmitteln, deren Benutzung im Fall von Kondomen ja bekanntlich auch den praktischen Nebeneffekt hätte, die Gefahr der Ansteckung mit dem HI-Virus herabzusetzen. Dadurch wird zum einen der gläubigen Person selbst der Schutz vor AIDS erschwert, in streng-katholischen Gegenden wird diese Möglichkeit der Verhütung und des Ansteckungsschutzes aber auch durch sozialen Druck oder durch mangelnde Angebote verwehrt. Die katholische Kirche, die am liebsten mit Feuer und Schwert jede einzelne befruchtete Eizelle schützen würde, nimmt dadurch billigend in Kauf, dass ihre Schäfchen und deren Opfer aus Glaubensgründen zu Tausenden sterben. Widerspruch scheint sie darin keinen zu sehen.

Homosexuelle sind der katholischen Kirche von jeher ein Dorn im Auge. Erst kürzlich bezeichnete der Papst Homosexualität bei einer seiner Sonntagspredigten mal wieder als eine objektive Störung der Natur, einen Verstoß gegen etwas, das sich im vatikanischen Jargon »natürliches Sittengesetz« schimpft, und rief Homosexuelle dazu auf, keusch zu leben. Auch katholische Abgeordnete wies er an, sich in den Parlamenten gegen die rechtliche Ähnlichstellung so genannter gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften auszusprechen, diese seien nämlich unmoralisch und stellten eine schwere Bedrohung für die »gesunde Entwicklung der menschlichen Gesellschaft« dar. »Die Ehe ist heilig, während homosexuelle Handlungen gegen das Moralgesetz der Natur verstoßen«, heißt es in einem Dokument der vatikanischen Glaubenskongregation, das von Papst Johannes Paul II. genehmigt wurde. Katholische PolitikerInnen hätten die »sittliche Pflicht«, Widerstand gegen die Möglichkeit der Verrechtlichung von eheähnlichen Partnerschaften Homosexueller zu leisten. Beim Gedanken daran, dass homosexuelle Paare vielleicht auch die rechtliche Möglichkeit bekommen sollen, Kinder zu adoptieren, stellen sich Papst und Konsorten sowieso die Nackenhaare auf. Dies würde »faktisch eine Vergewaltigung der Kinder bedeuten«. Die scheinheilige und menschenverachtende Argumentation der Kirche läuft folgendermaßen: Man hätte ja nichts gegen Schwule und Lesben, aber sie sollten doch bitte mit ihrer Homosexualität niemanden belästigen und keusch leben. Und auf die gleichen Rechte wie Heterosexuelle müssten sie »natürlich« verzichten.

Die Machtpolitik des Vatikans

Auch in seinem Antikommunismus ist der amtierende Papst in guter Gesellschaft. Der Vatikan stand emanzipatorischen Ideen noch nie aufgeschlossen gegenüber. Bei der Wahl von Johannes Paul II. kamen ihm seine besonders vehemente Ablehnung des Kommunismus sowie die Tatsache, dass er sein früheres Zuhause in Polen hatte und er sich somit auch gut als Symbolfigur gegen den Kommunismus eignete, sicherlich entgegen. Dafür brachen die Bischöfe auch mal mit einer liebgewonnenen Tradition: Johannes Paul II. ist der erste Papst seit über 400 Jahren, der nicht aus Italien kommt.

Um die katholische Kirche nach innen als Bollwerk gegen den Kommunismus zu bewahren, ging der Papst gegen BefreiungstheologInnen vor, denn er befürchtete eine Unterwanderung der katholischen Kirche durch marxistische Ideen. Erst kürzlich rief der extrem autoritäre Papst wieder die weltweit rund 4000 Bischöfe zum Gehorsam gegenüber Rom auf und sprach sich strikt gegen ein größeres Mitspracherecht der Geistlichkeit aus, ganz zu schweigen von einer Mitsprache der Basis.

Zur Verbreiterung dieser Basis, die mittlerweile eine Milliarde Gläubige umfasst, bot sich von jeher das Missionieren an. Darin ist die katholische Kirche ungeschlagen. Da offene Gewaltanwendung zur Verbreitung des rechten Glaubens mittlerweile etwas in Verruf geraten ist, greifen Missionare und Missionarinnen nun zu subtileren Mitteln. Da kommen dann schon mal Nahrung und Bildung nur denjenigen zu Gute, die auch ein Glaubensbekenntnis ablegen, sich taufen lassen und regelmäßig die Kirche besuchen, ganz egal, wie groß die Not gerade ist und wieviel die Missionierenden eigentlich zu verteilen hätten. Das alles unter dem Mäntelchen der humanitären Hilfe. Es wird wohl gedacht, welche keinen Wert auf die Errettung ihrer Seele legt, bräuchte ihren Körper auch nicht mehr.

Papst Johannes Paul II. will seinen Einfluss auf die katholische Kirche auch für die Zeit nach seinem eigenen Tod sichern, indem er maßgeblichen Einfluss auf die Wahl seines Nachfolgers nimmt.

Obwohl alt, krank und schwach, schaffte der Papst es ganz gut, eine Nachfolge in seinem Sinne abzusichern. Allein in der Woche des 25jährigen Pontifikatsjubiläums ernannte er 31 neue Kardinäle, die später über seine Nachfolge mit abstimmen dürfen, und hat so schnell noch seinen Einfluss auch über seinen Tod hinaus gesichert.

Für die spontane Selbstauflösung der katholischen Kirche!

In den Artikeln zum 25-jährigen Dienstjubiläum des Papstes ist man um ein ausgeglichenes Bild bemüht. Da werden den kleinen Schwächen des Papstes, die man ja wohl oder übel eingestehen muss, wie z.B. seiner strikten Ablehnung von Verhütung und Abtreibung und somit der Selbstbestimmung von Frauen über ihren eigenen Körper, kaum Bedeutung zugemessen. Statt dessen werden seine großen Errungenschaften und sein unermüdliches Eintreten für Frieden (dieser Papst hat übrigens dem alten Brauch »Fasten für den Weltfrieden« wieder zu verdienter Popularität verholfen), Gerechtigkeit und Toleranz gepriesen. Schließlich wird dann doch ganz verklärt in den allgemeinen Jubelgesang einzustimmen.

So war es dieser Papst, der sich im Namen der katholischen Kirche mehr oder weniger halbherzig für das Verhalten des Vatikans zum NS, für die Kreuzzüge und für die mittlerweile doch eher peinliche Sache mit Galileo Galilei entschuldigt hat. Wer jedoch der Chef einer Organisation ist, die 359 Jahre braucht, um einzugestehen, dass die Erde wohl doch rund ist und nicht flach, und sich dafür zu entschuldigen, dass sie Galilei als Vertreter eben dieser Ansicht unter lebenslangen Hausarrest stellen ließ; die sich zum NS lieber gar nicht verhielt; die, wenn es um die nachträgliche Bewertung des Verhaltens katholischer Deutscher im NS geht nur solche entdecken kann, die im Widerstand waren, oder solche, die leider, leider zu schwach waren, Widerstand zu leisten, und dabei die große Masse der TäterInnen nicht entdecken mag; und der die Kreuzzüge nur dann leid tun, wenn sie ein Hindernis im Dialog mit dem Islam darstellen, ist nichts anderes als ein kühl kalkulierender Machtmensch, von Berufs wegen borniert und ignorant. Dazu ist er, durch Dekret eines seiner Vorgänger auch noch unfehlbar, was die Sache nicht einfacher macht.

In letzter Zeit musste der Papst einige persönliche Rückschläge einstecken. Obwohl er heißer Favorit für den Friedensnobelpreis war, ging er leider leer aus. Beleidigt ist er auch wegen der Missachtung, die ihm von Seiten der Europäischen Union zu Teil wird, denn in der künftigen EU-Verfassung findet sich bis dato kein Hinweis auf ihn oder seinen Vorgesetzten.

Dieser wird ihn wohl demnächst zu sich rufen. Dann wird ein neuer Papst gewählt, bei dem nur die Frage ist, ob er ein bisschen weniger oder mehr reaktionär ist als der Amtierende. Daher die einzige Lösung: siehe letzte Zwischenüberschrift.

(iü)

sputnik