PSA – Pannen bei der Scheiß Arbeit

Nicht nur Maatwerk sollte mit Dreck beworfen werden

Es war eine ganz große Nachricht im Februar: Maatwerk, die größte PSA-Kette Deutschlands ist insolvent. Gleichzeitig wurde ein Skandal ausgemacht: Das Unternehmen hat monatlich über 10 Millionen Euro staatlicher Zuschüsse kassiert und dabei fast keine Erfolge in der Vermittlung von Erwerbslosen erzielt.

Maatwerk hat jedoch gegen keine Gesetze verstoßen und das getan, was alle kapitalistischen Unternehmen anstreben: Gewinne steigern, möglichst viele staatliche Subventionen mitnehmen und das Arbeitsrecht weitestgehend zu ihren Gunsten ausnutzen. Maatwerk hat exakt auf der Grundlage gearbeitet, die Rot-Grün mit den ersten Hartz-Gesetzen zuvor gelegt hatte. Das tatsächliche Ärgernis, das System der Personal Service Agenturen (PSA), das zur Repression von Erwerbslosen erfunden wurde, war kein Thema in der Berichterstattung.

PSA – Station zwischen Erwerbslosigkeit und Erwerbslosigkeit

Um die Erwerbslosenstatistik zu verbessern, hat die Bundesregierung mit den Hartz-Gesetzen grob zwei Wege gewählt: Zum einen die Vermittlung der Erwerbslosen und der Zwang in Jobs jeder Art, zum anderen das Herausdrängen der Erwerbslosen aus dem Leistungsbezug. Letzteres wird u.a. mit der faktischen Abschaffung der Arbeitslosenhilfe (durch Zusammenlegung mit der Sozialhilfe) versucht; ersteres stößt bei Millionen fehlender Arbeitsplätze irgendwann an Grenzen, wenn auch die schlechtesten Jobs besetzt sind. Ein Instrument, das beide Strategien vereint, sind die Personal Service Agenturen, die im letzten Jahr eingerichtet wurden. Über sie sollten Erwerbslose an Unternehmen verliehen werden in der Hoffnung, dass diese dort anschließend fest eingestellt werden.

Nach anfänglichen Schwierigkeiten gab es Ende 2003 angeblich in jedem Arbeitsamtbezirk mindestens eine funktionierende PSA, insgesamt waren es rund 1000 in ganz Deutschland. Eine PSA entsteht durch einen Kooperationsvertrag zwischen der Agentur für Arbeit (Arbeitsamt) und einem örtlichen privaten Personalvermittlungsunternehmen (z.B. einer bestehenden Zeitarbeitsfirma oder einer Neugründung durch das Arbeitsamt). Zwischen den PSAen gibt es somit strukturell erhebliche Unterschiede, z.B. werden den PSAen unterschiedlich viele Erwerbslose (zwischen 10 und 240 Personen) überlassen; durchschnittlich gibt es 45 Plätze in einer PSA.

Die PSAen bekommen für die ›Betreuung‹ der Erwerbslosen eine Fallpauschale von der Agentur für Arbeit (meistens knapp über 1000 Euro). Wenn sie Erwerbslose an Unternehmen ausleihen, bezahlen diese den PSAen zusätzlich ein Honorar; bei erfolgreicher Vermittlung zahlt die Agentur für Arbeit eine erste Prämie, bei dauerhafter Vermittlung gibt es noch eine zweite Prämie dazu. In so genannten verleihfreien Zeiten sollen die PSAen die Erwerbslosen weiterqualifizieren. Die PSA wiederum zahlt Löhne an »ihre« Leiharbeiter­Innen. Die Agentur für Arbeit hat mit den Erwerbslosen selbst erst einmal nichts mehr zu tun und kann sie vorläufig aus der Statistik streichen.

Gemessen an den Zielen der Bundesregierung waren die PSAen bis jetzt kein großer Erfolg. In der Hartz-Kommission wurde von 500000 PSAlerInnen geträumt, die Regierung sprach danach von 50000 für 2003; Ende des Jahres waren von 43000 möglichen Plätzen nur 30000 besetzt. Selbst das Institut der Bundesanstalt für Arbeit räumt ein, dass gut zwei Drittel der LeiharbeiterInnen eine abgeschlossene Berufsausbildung hätten oder einen höheren Abschluss; aber die Hälfte aller Verleihungen findet in Jobs als HilfsarbeiterInnen statt. Die meisten jedoch bekommen erst gar keinen ›Arbeitseinsatz‹ und noch viel weniger (12%) arbeiten anschließend in regulären Beschäftigungsverhältnissen.

Jetzt extrem günstig zu haben: Erwerbslose

Gegen die Einrichtung der PSAen hatten auch die Gewerkschaften mehrheitlich nichts einzuwenden. Aber sie wünschten sich einen Tarifvertrag für die Zeitarbeitsbranche – und sorgten damit für niedrigere Löhne als ohne diesen Tarifvertrag. Wäre nämlich kein Tarifvertrag zustande gekommen, müssten Zeitarbeitsfirmen und PSAen jetzt den im Verleihbetrieb üblichen Tarif zahlen. So will es das Gesetz, das die PSAen bei der Errichtung auf die Festlegung auf einen Tarifvertrag verpflichtet. Die meisten PSAen haben sich nun für einen Zeitarbeitstarifvertrag mit den christlichen Gewerkschaften entschieden, weil er noch besser für sie ist als die Verträge mit den DGB-Gewerkschaften. Den LeiharbeiterInnen helfen auch vollmundige Bekundungen des DGB nicht, dass in zukünftigen Lohnrunden die Lohnhöhe der regulären ArbeiterInnen erreicht werden soll.

Nach welchem Tarif die LeiharbeiterInnen in einer PSA verdienen, entscheidet jedoch allein die PSA. Nachdem ihr die Erwerbslosen von der Agentur für Arbeit geschickt wurden, macht sie ihnen ein ›Angebot‹ – meist für 9 Monate, denn so lange gibt es staatliche Zuschüsse. Die Einstufung in die verschiedenen Lohngruppen nimmt die PSA willkürlich vor, ohne die Qualifikationen berücksichtigen zu müssen. So läuft es in den meisten Fällen auf die Bezahlung als HilfsarbeiterIn mit 6,85 Euro Stundenlohn hinaus, in der Regel weniger als das zuvor erhaltene Arbeitslosengeld. PSAen können auch Teilzeitarbeit ›anbieten‹; 20 Stunden in der Woche leiharbeiten ist bestimmt schöner als 40, aber es fließt auch dementsprechend weniger Geld. Die betroffenen Erwerbslosen können zwar versuchen, mit der PSA andere Inhalte ihres Arbeitsvertrags auszuhandeln, ablehnen können sie dieses ›Angebot‹ nicht wirklich, weil sie sonst zur Arbeitsagentur mit dem Vermerk »unwillig« zurückgeschickt werden und dort erst einmal eine Zeit lang das Arbeitslosengeld gesperrt bekommen. Schließlich hätten sie sich der Vermittlung verweigert. Für das oberste Ziel der deutschen Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik, die Überprüfung und Herstellung der Arbeitswilligkeit der Bevölkerung, sind die PSAen ein passendes Instrument.

Und ganz nebenbei wird nach 3 Monaten in der PSA der Anspruch auf Arbeitslosengeld neu berechnet, weil die ehemaligen Erwerbslosen in der PSA nicht mehr als erwerbslos gelten. Da sie aber mit großer Wahrscheinlichkeit nicht aus der PSA heraus in eine festes Beschäftigungsverhältnis vermittelt werden, ihr Vertrag mit der PSA ausläuft oder, weil sie irgendwann als nicht vermittelbar gelten, von der PSA gekündigt werden, ist die nächste Phase der Erwerbslosigkeit (mit eben niedrigerem Arbeitslosengeld) schon abzusehen.

Maatwerk – eine ganz besondere PSA?

Maatwerk betrieb Ende des letzten Jahres 200 der knapp 1000 in Deutschland existierenden PSAen und wurde immer wieder in der Presse lobend hervorgehoben. Zugleich hat es das Unternehmen geschafft, die staatlich angeordneten Repressionen gegen Erwerbslose besonders ›perfekt‹ umzusetzen und mit den Subventionen der Arbeitsämter als fast einziger Einnahmequelle eine ganze Zeit lang zu existieren. Bei LabourNet Germany (www.labournet.de) wurden bereits seit Mitte 2003 Berichte über Maatwerk zusammengetragen, die in einem 60-seitigen Dossier über die ›Vorzeige-PSA‹ veröffentlicht wurden. Darin kommen viele Menschen zu Wort, die mit Maatwerk zu tun hatten, sei es als feste(r) Angestellte oder als zeitweise von den Arbeitsämtern Überlassene.

So wird berichtet, dass bei Maatwerk sehr genau darauf geachtet wird, dass Erwerbslose immer am Ende des Monats eingestellt werden und Anfang des Monats gekündigt werden, um für diese beiden Monate die Fallpauschalen zu kassieren, aber keinen Lohn zahlen zu müssen. Die Maatwerk-VermittlerInnen wurden auch dazu angehalten, Erwerbslose einzustellen, die als besonders schwer vermittelbar angesehen werden, weil diese mit eben dieser Begründung wieder leichter rausgeworfen werden können.

Maatwerk stellt generell zum niedrigstmöglichen Lohn ein, egal welche Qualifikation die Erwerbslosen besitzen und verzögert Lohnzahlungen, die dann erst gerichtlich eingeklagt werden müssen.

Die LeiharbeiterInnen haben fast keine Chancen zur Gegenwehr. Die Arbeitsagenturen sind nicht mehr zuständig, weil LeiharbeiterInnen nicht als arbeitslos gelten. Sie müssen die Schikanen ertragen, weil als nächstes eine Sperrzeit beim Arbeitsamts auf sie wartet, wenn sie wegen »Vermittlungsverweigerung« von der PSA gekündigt werden und sich wieder arbeitslos melden.

An ein anderes Unternehmen ausgeliehen hat Maatwerk fast niemanden, dauerhaft vermittelt wurden noch weniger Leute. Auch von überflüssigen Qualifizierungen in den ›verleihfreien Zeiten‹ blieben Erwerbslose weitestgehend verschont, Maatwerk hat sie fast nicht durchgeführt. Dafür durften Maatwerk-LeiharbeiterInnen schon mal im ›eigenen‹ Unternehmen mit anpacken und Büroaufgaben von Maatwerk übernehmen oder sogar gleich zur VermittlerIn aufsteigen.

PSAen hoffentlich bald am Ende

Dass andere PSAen ähnlich agieren, ist wahrscheinlich und legen die geringen Vermittlungszahlen aller PSAen nahe. Da Maatwerk so viele PSAen betreibt, konnten hier zahlreiche Informationen dazu gesammelt werden. Die Pleite von Maatwerk und der ›Skandal‹ um die Subventionen hat schließlich dazu geführt, dass dieses Unternehmen für die Misserfolge der rot-grünen Regierung in der Arbeitsvermittlung und ihrem Instrument PSA verantwortlich gemacht wurde. Aber durch ein paar kleine Änderungen soll jetzt angeblich alles besser werden.

Es bleibt zu hoffen, dass nicht alles ›besser‹ wird, denn das würde bedeuten, dass ein völlig ungeschützter Sektor auf dem Arbeitsmarkt existiert, in dem die einfachsten Jobs von einer Erwerbslosen zur nächsten weitergereicht werden, so dass diese nach der Kündigung durch die PSA bei der Arbeits­agentur ein dem PSA-Lohn angepasstes Arbeitslosengeld oder eben erst einmal gar keins bekommt. Und es hätte zur Folge, dass eine weitere äußerst prekäre Branche (Leih- und Zeitarbeit) ausgeweitet und aufgewertet würde, in der Menschen Scheiß-Jobs bei geringst möglicher Bezahlung und fast ohne Rechte leisten sollen, und die Vorbild für große Teile der Erwerbsarbeit sein soll.

(kd)

sputnik