Linke Fachschaft 03

autonome seminare

SoSe 2006: Das angekündigte Seminar muss leider ausfallen. Die Idee bleibt jedoch erhalten:

Fragmentierung, Subjektivierung und emanzipative Intervention

Schon Maggie Thatcher meinte, dass es keine Gesellschaft, sondern nur Individuen gebe. Auch viele Individualisierungstheorien glauben zu wissen, dass die soziale Positionierung der Menschen für ihr Handeln an Bedeutung verliert. Individuelle Biografien scheinen unabhängig von Klassenlage, Geschlecht und sozialer Schicht flexibel und gestaltbar. Flache Hierarchien und Selbstverantwortung gelten als Merkmale moderner Arbeitsverhältnisse.
Entgegen den Freiheitsversprechen der „individualisierten Gesellschaft“ ist jedoch eine Tendenz zur Verschärfung von Formen der Selbstausbeutung und -disziplinierung festzustellen. Arbeits- und Lebensverhältnisse werden zunehmend prekär. Die in der Aufklärung angestrebte Befreiung des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit scheint endgültig in die selbstbestimmte Unterwerfung unter objektive gesellschaftliche Zwänge umzuschlagen.
Beiden Thesen wollen wir nachgehen. Dazu möchten wir uns mit Theorien des Subjekts, der Individualisierung und der zugrundeliegenden gesellschaftlichen Verhältnisse kritisch auseinandersetzen. Abschließend möchten wir aus den oben genannten Entwicklungen resultierende Schwierigkeiten und Chancen für eine emanzipative Intervention diskutieren.
Das Seminar soll möglichst herrschaftsfrei organisiert sein, das heißt unter anderem dass der Themenplan und mögliche Fragestellungen in der ersten Sitzung gemeinsam diskutiert und den Interessen der Teilnehmenden angepasst werden.
Literatur:
Adorno, Theodor W.: Studien zum autoritären Charakter. Frankfurt/ Main. 1984.
Adorno, Theodor W.: Dialektik der Aufklärung. Frankfurt/ Main. 2003.
Beck, Ulrich: Risikogesellschaft: Auf dem Weg in eine andere Moderne. Frankfurt/ Main. 2003.
Engel, Antke: Wider die Eindeutigkeit: Sexualität und Geschlecht im Focus queerer Politik der Repräsentation. Frankfurt/ Main. 2002.
Foucault, Michel: Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses. Frankfurt/ Main. 1994.
Foucault, Michel: Die Sorge um sich. Sexualität und Wahrheit Bd. 3. Frankfurt/ Main.1989.
Glißmann, Wilfried: Mehr Druck durch mehr Freiheit: Die neue Autonomie in der Arbeit und ihre paradoxen Folgen. Hamburg. 2001.
Hirsch, Joachim: Herrschaft, Hegemonie und politische Alternativen. Hamburg. 2002.
Trumann, Andrea: Feministische Theorie: Frauenbewegung und weibliche Subjektbildung im Spätkapitalismus. Stuttgart. 2002.


autonomes seminar im wintersemester 2004/05 am institut für europäische ethnologie:

IDENTITÄT: XX UNGELÖST?

feministische theorien in anlehnung an subjekt- und machttheorien michel foucaults
beginn: 27. oktober 2004
hörsaal EE (biegenstraße)
mittwochs 18h-20h c.t.
veranstalterinnen: femArchiv & lifa 03
mail: lifa@fem-archiv-marburg.de
In den 1970er Jahren wurde in der Frauenbewegung eine gemeinsame Identität "Frauen" konstruiert, um politisch handlungsfähig zu werden, nachdem von Theoretikerinnen wie Simone deBeauvoir stets kritisiert wurde, dass Frauen ihre Gemeinsamkeiten nicht erkennen würden und sie somit keine Möglichkeit hätten, sich aus ihrer Benachteiligung zu befreien. Insbesondere von dekonstruktivistisch beeinflusster Seite wurde in den 1990er Jahren eben dieses Subjekt der Frauenbewegung in Frage gestellt und als "identitätspolitisch" kritisiert; hier würden lediglich neue Unterdrückungsmechanismen etabliert, Herrschaftsformen reproduziert und das bürgerliche Subjekt affirmiert.
Doch wie kann sich Politik - speziell Feminismus - ohne "feste Bezugsgruppe" betreiben lassen? Kann losgelöst von fixen Identitäten noch politische Handlungsfähigkeit entstehen? Wie können Benachteiligungen und Diskriminierungen abgebaut werden, wenn kein autonomes Subjekt mehr besteht, dass aus Unterdrückungsmechanismen befreit werden kann, bzw. sich selbst befreiet? Aus eben dieser Fragestellung heraus erfuhr und erfährt die dekonstruktivistische Analyse von Macht- und Geschlechterverhältnissen wiederum die Kritik, ahistorisch und gesellschaftsunkritisch zu sein, da sie reale Benachteiligungen und Unterdrückungen zugunsten von Diskurs und Dekonstruktion ausblende. Aber soll postmoderne Kritik an "Identitätspolitik" in dieser Weise verstanden werden? Geht es überhaupt um die radikale Abschaffung des Subjekts? Oder stellt sich vielmehr die Frage, wie ein autonomes Subjekt "trotzdem" noch denkbar sein kann, obwohl Menschen doch erst durch Machtformen und gesellschaftlich und politisch bedingte Steuerungsweisen als Subjekte konstituiert werden - sie sich somit in ständiger und wechselseitiger Immanenzbeziehung mit der Macht befinden?
Diesem Themenkomplex wollen wir uns mit Hilfe grundlegender feministischer Theorien nähern, rekonstruieren wie es zum Streit um Identität(spolitik) und Subjekt(bildung) kam, sowie das kritische Potenzial von sowohl feministischen als auch dekonstruktivistischen Ansätzen herausarbeiten. Hierzu sollen Texte gelesen werden, die an Theorien von Judith Butler und Michel Foucault anknüpfen. Den Abschluss des Seminars sollen im Zusammenhang mit zuvor erarbeiteten Texten ggf. Vorträge von Autorinnen bilden, die zum Thema arbeiten.

Lifa03-Seminar zum Antisemitismus

Sommersemester 2003
SE Lektüre ausgewählter Texte zum Antisemitismus
Mittwoch 14 - 16 Uhr
WRStr. B 509 (PhilFak)
Viele Deutsche, so hört man immer wieder, hätten mittlerweile die Nase voll davon, andauernd an »die dunklen Kapitel unserer Geschichte« erinnert zu werden. Irgendwann müsse doch endlich Schluss sein mit der »Vergangenheit, die nicht vergehen will«.
Das ist aber nur die halbe Wahrheit: Denn während man im wiedervereinigten Deutschland vor allem von Judenvernichtung und Vernichtungskrieg nichts mehr wissen will, hat die 'Aufarbeitung' von Flucht & Vertreibung und »alliiertem Bombenterror« derzeit Hochkonjunktur. Gerade der Hang, sich selbst in die ewige Opferrolle hinein zu halluzinieren, verweist vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte auf ideologische Kontinuitäten und verheißt nichts Gutes. Die vergangenheitspolitischen Debatten und diversen Antisemitismusstreite der letzten Jahre liefen häufig nach dem selben Schema ab: Auf den gezielten antisemitischen 'Tabubruch' folgen die erwarteten - und verständlichen - Reaktionen, die wiederum zum Anlass genommen werden, sich in die Opferpose zu werfen, um noch erbitterter gegen jüdische RepräsentantInnen loszuschlagen. Es ist der Typus der »verfolgenden Unschuld« (Karl Kraus), der in der Öffentlichkeit zunehmend auf Zustimmung rechnen kann.
Grund genug, sich in einem Lektüreseminar mit der Kritik des Antisemitismus zu befassen. Ziel des Seminars soll es sein, ausgewählte theoretische Texte zum Antisemitismus zu lesen und zu diskutieren. Dabei werden sozio-ökonomische Analysen des NS-Antisemitismus und vor allem sozialpyschologische Erklärungsansätze zum Antisemitismus Gegenstand sein. Gegen Ende des Seminars soll auf den Charakter des »sekundären Antisemitismus«, der eine aggresive Form von Schuldabwehr darstellt, eingegangen werden und dieser anhand aktueller Beispiele analysiert werden. Das detaillierte Seminarprogramm und Literaturhinweise sind auf unserer Homepage einzusehen. Das Lektüreseminar wird in Form einer Studiengruppe durchgeführt, es besteht die Möglichkeit zum Erwerb von Leistungsnachweisen für das Hauptstudium in Politikwissenschaft.
Gliederung:
23.4 Vorstellung der Themen und Vergabe von Referaten
Ausgewählte Beispiele sozialpsychologischer Analysen des Antisemitismus:
30.4 Max Horkheimer, Der soziologische Hintergrund des psychoanalytischen Forschungsansatzes, in: Simmel, Ernst (Hg.): Antisemitismus, Frankfurt am Main, 2002
7.5 Otto Fenichel: Elemente einer psychoanalytischen Theorie des Antisemitismus, in: Simmel, Ernst (Hg.): Antisemitismus, Frankfurt am Main, 2002
14.5 Else Frenkel-Brunswick und R.Nevitt Sanford: Die antisemitische Persönlichkeit. Ein Forschungsbericht, in: Simmel, Ernst (Hg.): Antisemitismus, Frankfurt am Main, 2002
21.5 Theodor W. Adorno: Antisemitismus und faschistische Propaganda, in: Simmel, Ernst (Hg.): Antisemitismus, Frankfurt am Main, 2002
Ausgewählte sozioökonomische Analysen des nationalsozialistischen Antisemitismus:
28.5 Max Horkheimer: Die Juden und Europa
4.6 Moishe Postone: Nationalsozialismus und Antisemitismus
11.6 Holger Schatz und Andrea Woeldike: "Deutsche Arbeit" und eliminatorischer Antisemitismus
18.6 Detlev Claussen: Grenzen der Aufklärung
Ausgewählte Texte zum "sekundären Antisemitismus":
25.6 Theodor W. Adorno: Was bedeutet Aufarbeitung der Vergangenheit?
2.7 und 9.7 Lars Rensmann: Kritisch-theoretische Studien über den sekundären Antisemitismus
Exemplarische Analyse erinnerungs-abwehrender Dispositionen und der Psychodynamik des sekundären Antisemitismus anhand aktueller vergangenheitspolitischer Debatten:
16.7 Martin Walser: Erfahrungen beim Verfassen einer Sonntagsrede Rudolf Augstein: "Wir sind alle verletzbar"
Literaturliste:
ADORNO, Theodor W.: Was bedeutet Aufarbeitung der Vergangenheit?, in: ADORNO, Theodor W.: Eingriffe. Neun kritische Modelle, Frankfurt am Main, 1963
CLAUSSEN, Detlev: Grenzen der Aufklärung. Die gesellschaftliche Genese des modernen Antisemitismus, Frankfurt am Main, 1994, S. 51-83
HORKHEIMER, Max: Die Juden und Europa, in: DUBIEL, Helmut/ SÖLLNER, Alfons: Wirtschaft, Recht und Staat im Nationalsozialismus. Analysen des Instituts für Sozialforschung 1939-1942, Frankfurt am Main, 1984
POSTONE, Moishe: Nationalsozialismus und Antisemitismus. Ein theoretischer Versuch, in: WERZ, Michael (Hg.): Antisemitismus und Gesellschaft. Zur Diskussion um Auschwitz, Kulturindustrie und Gewalt, Frankfurt am Main, 1995
RENSMANN, Lars: Kritische Theorie über den Antisemitismus. Studien zu Struktur, Erklärungspotenzial und Aktualität, Berlin und Hamburg, 1998, S. 231-288
SCHATZ, Holger/ WOELDIKE, Andrea: "Deutsche Arbeit" und eliminatorischer Antisemitismus. Über die sozioökonomische Bedingtheit einer deutsche Tradition, in: Elsässer/Markovits (Hg.): "Die Fratze der eigenen Geschichte. Von der Goldhagen-Debatte zum Jugoslawienkrieg, Berlin, 1999
SCHOBERT, Alfred u.a. (Hg.): Endlich ein normales Volk? Vom rechten Verständnis der Friedenspreis-Rede Martin Walsers. Eine Dokumentation, Duisburg, 1999
SIMMEL, Ernst (Hg.): Antisemitismus, Frankfurt am Main, 2002