Linke Fachschaft 03

Studiengebühren angekündigt

LangzeitstudentInnen im Visier der staatlichen Politik

Ein generelles Verbot von Studiengebühren fand auf der Konferenz der KultusministerInnen am 25. Mai 2000 keine Zustimmung. Das bedeutet, dass die Bundesländer zusätzlich zu den obligatorischen „Verwaltungsgebühren“ selbstständig Studiengebühren für sogenannte LangzeitstudentInnen einführen können, weil das Bildungssystem in den Zuständigkeitsbereich der Länder fällt und die Bundesregierung entgegen ihren Wahlversprechen auf ein generelles Gebührenverbot verzichtete. Baden-Württemberg erhebt schon seit einiger Zeit ab dem 14. Semester Studiengebühren. Niedersachsen, Bayern und Thüringen haben ebenfalls Gebühren angekündigt. In der Konsequenz werden nach und nach alle Länder dem Beispiel folgen, um zu verhindern, dass Studierende an ihre Hochschulen wechseln, um den Gebühren auszuweichen.
 

Zöllner-Modell: Humankapital und die Ware „Bildung“

In der aktuellen Diskussion, die sich nur noch um die Art der Studiengebühren dreht, favorisieren Bundes- und Länderregierungen das sog. „Zöllner-Modell“, benannt nach dem rheinland-pfälzischen Kultusminis-ter Zöllner. Nach dessen Vorschlag sollen Studienberechtigte ein Stundenkonto mit einem Guthaben von 200 Semesterwochenstunden erhalten. Besuchen sie mehr Veranstaltungen, sollen sie zahlen. Bildung erscheint als Ware. Als „Humankapital“ sollen die Studierenden sich eigenverantwortlich (auch finanziell) darum bemühen, sich schon während des Studiums möglichst gut den Anforderungen der Wirtschaft anzupassen.
Auch der Ablauf von Veranstaltungen wird sich weiter ändern. Verstärkt wird es darum gehen, feste Lehrinhalte in einer bestimmten Zeit zu vermitteln. Es geht ausdrücklich, so Zöllner, um die „Etablierung eines entsprechenden Kostenbewusstseins“ bei den Studierenden. Das Konten-Modell beinhaltet notwendigerweise die lückenlose Kontrolle der Teilnahme an Veranstaltungen, da nur so festgestellt werden kann, wieviele SWS eine/r schon ‚verbraucht‘ hat. Dadurch wird eine selbstbestimmte Studienplanung weiter eingeschränkt, was auch eine Konsequenz der Ausrichtung an den Vorgaben der Wirtschaft ist.

LangzeitstudentInnen

Die Einführung von Gebühren wird dadurch erleichtert, daß es vorerst nur sogenannte LangzeitstudentInnen trifft. Die meisten StudentInnen zählen sich nicht dazu – sie sehen daher keinen Anlaß, sich an Gebühren zu stören. Gebühren für LangzeitstudentInnen treffen aber nicht nur auf Gleichgültigkeit, sondern oft auf große Zustimmung.

Der häufigste Vorwurf gegen LangzeitstudentInnen lautet, daß sie den anderen die Studienplätze wegnehmen. Sie sollen für die schlechten Studienbedingungen (Überfüllung der Hörsäle, schlechte Ausstattung usw.) verantwortlich sein. Was in dieser Sichtweise stört, ist nicht die Konkurrenz, sondern sind die KonkurrentInnen. Der Vorwurf unterstellt, daß LangzeitstudentInnen die Berechtigung zum Studieren verloren haben. Sie haben ihre Chance schon gehabt, aber nicht zu nutzen verstanden.

LangzeitstudentInnen verplempern ihre wertvolle Zeit mit überflüssigem Rumgammeln/Sie sollen endlich einen vernünftigen Beruf ergreifen – so könnte eine Schlagzeile der Bild-Zeitung lauten. Der Haß auf die-jenigen, die ihr Studium nicht in der Regelstudienzeit absolvieren können oder wollen, überführt den Neid auf ein vermeintlich unbeschwertes Leben in  Zustimmung zum Arbeitszwang.
Nicht nur das Feindbild „LangzeitstudentInnen“, sondern auch der Gewöhnungseffekt erhöht die Akzeptanz von Gebühren. Die Studiengebühren für Einzelne dienen also auch als ein Einfallstor für Studiengebühren allgemein.
 

Schmalspurstudium und Privatuniversitäten


Studiengebühren ermöglichen neben der Regulierung der Studierendenzahlen auch eine allgemeine Verkürzung des Studiums. Gebühren für LangzeitstudentIn-nen beschleunigen das Studium noch stärker als ‚gewöhnliche’ Studiengebühren ab dem ersten Semester. Schon die Ankündigung von Gebühren führt zu einer veränderten Studienplanung der Einzelnen. Studiengebühren haben allgemein die Tendenz, die Arbeitskraft abzuwerten, weil sie ein langes und aufwendiges Studium für die Mehrzahl unmöglich machen. Ein Studium, das mehr sein soll als eine Berufsausbildung, wird zum Luxus, den sich noch weniger Menschen leisten können.

Privatunis, deren Zahl immer weiter zunimmt,  nehmen mit massiver staatlicher Unterstützung die weitere Entwicklung vorweg: Gegen Zahlung einer entsprechend hohen Gebühr finden Studierende, die es sich leisten können, dort bessere Bedingungen für ein ‚effizientes‘ Studium vor.
 

Wie finanziere ich mein Studium?

Die Umstrukturierungen im Bildungssystem reihen sich ein in die allgemeine neoliberale Tendenz, gesellschaftliche Aufgaben zu privatisieren (z.B. Krankenversicherung, Renten, ÖPNV, Schwimmbäder etc.). Die gesellschaftliche Ungleichheit wird manifestiert und nimmt zu. Der Anteil der ArbeiterInnenkinder, die studieren, ist seit einigen Jahren rückläufig und liegt momentan bei etwa zwölf Prozent,  während etwa 64 Prozent der BeamtInnenkinder studieren. Personengruppen, die wegen der rassistischen und sexistischen Verfasstheit dieser Gesellschaft diskriminiert werden, wird (auch wegen des durchschnittlich schlechteren ökonomischen Status’ als Folge der Ausgrenzung) der Zugang an die Universitäten und die Erfüllung der ‚Effizienzkriterien’ erschwert.
 

Mehr Geld – bessere Bedingungen

Die Möglichkeiten, der steigenden finanziellen Belastung während eines Studiums zu entgehen, sind gering. Die Zahl der Bafög-EmpfängerInnen sinkt seit Jahren. Ob jemand Bafög-Leistungen (teils staatlicher Kredit, teils Zuschuß) erhält, ist nicht nur vom Einkommen der Eltern abhängig, sondern auch an bestimmte Auflagen gebunden. So muß z. B. das Grundstudium abgeschlossen sein, bevor nach dem vierten Semester weiter gezahlt wird. Wer durch eine Prüfung fällt, hat Pech gehabt. Die oft als Ausweg gepriesenen Stipendien verschiedener Stiftungen haben mehr Ausschlusskriterien als das Bafög. Neben dem nötigen Status der „BildungsinländerIn“ müssen BewerberInnen eine schnelles und ‚effizientes’ Studium absolvieren (und mit der jeweiligen ideologischen Ausrichtung der Stiftung kompatibel sein).

Um das Studium zu finanzieren, müssen StudentInnen häufig nebenbei jobben. Nichtdeutschen Studierenden wird dies nur begrenzt (ohne Arbeitserlaubnis des Arbeitsamtes nur drei Monate im Jahr) zugestanden.
 

Mehr als mehr Bleistifte

Eine Kritik der bestehenden Verhältnisse kann sich nicht auf den Ruf nach „mehr Bleistiften und Tesafilm“ oder einer besseren finanziellen Ausstattung der Hochschulen beschränken, wie es ein Großteil der Streikenden im WS 1997/98 getan hat. Sie muss vielmehr die hinter den aktuellen Entwicklungen steckende Verwertungslogik angreifen.