Mentorensystem am FB 03
Inzwischen dürfte es sich herumgesprochen haben: auch im Fachbereich 03 wird das im HHG (Hessischen Hochschulgesetz, §27) vorgesehene Mentorensystem umgesetzt. Teils dezent (Soziologie), teils offensiv (Politik) werden die Studierenden aufgefordert, sich einer "Mentorierung" zu unterziehen.
In Grundstudiumsveranstaltungen wird offensiv für die Teilnahme
an den Sitzungen mit dem Mentor geworben. Im Direktorium setzten sich
einzelne Professoren und die Aktive Fachschaft Politik vehement für
das neue System und eine weitgehende Reglementierung ein. Während
an anderen Fachbereichen und Instituten das Mentorensystem vor allem wegen
der (unbezahlten) Mehrarbeit der ProfessorInnen eher verhalten aufgenommen
wurde, tut sich das Institut für Politikwissenschaft durch besonderen
Eifer bei der Umsetzung hervor. Statt einzelner Gesprächstermine
auf Wunsch sollen regelmäßige Gruppensitzungen ab dem zweiten
Semester über das gesamte Grundstudium hinweg stattfinden. Von Seiten
der Aktiven Fachschaft Politik und interessierter Professoren wird auf
das Zusammengehörigkeitsgefühl, das hier entstehen soll, hingewiesen.
Ein Lebensbund in klein, um die Studierenden in feste Bezugssysteme
einzubinden. Meldet sich nicht der Großteil der Studierenden freiwillig,
so zeichnet sich nach entsprechenden Äußerungen im Direktorium
bereits jetzt ab, dass die Zuteilung zu einem Mentor zwangsweise durchgeführt
wird.
Was soll das?
Das Mentorensystem von Rotgrün eingeführt, von CDU/FDP fortgeführt soll Druck auf die StudentInnen ausüben, erfolgsorientiert, d. h. effizient und schnell, statt selbstbestimmt und kritisch zu studieren. Es fügt sich damit nahtlos in eine gesellschaftliche Entwicklung ein, die den Zugang zu Hochschulen über soziale (weniger BAFÖG-EmpfängerInnen) wie Leistungskriterien (NC, ZVS) immer stärker einschränkt. Das Studieren wird durch die Einführung von Studiengebühren immer mehr erschwert; die Notwendigkeit, deswegen einen Nebenjob anzunehmen, steigt. Gleichzeitig soll die 'Verweildauer' an den Hochschulen durch Studienzeitbeschränkungen gesenkt werden. Immer mehr Privat-/Elite-Unis bieten sich den wohlhabenden Studierenden als Alternative zu den unterfinanzierten staatlichen Hochschulen an.
Auch an der Uni Marburg wird der Druck erhöht: die leistungsorientierte Mittelvergabe an Hochschulen und Fachbereiche steigert den Zwang, ökonomisch verwertbare Forschungsergebnisse zu liefern. Das Mentorensystem eröffnet den ProfessorInnen ganz neue Kontroll- und Einflußmöglichkeiten. Auch in Marburg ist das Studium der Politikwissenschaft inzwischen zulassungsbeschränkt.
Mit der Einführung des Mentorensystems wird erstmals ein direktes Kontrollinstrumentarium geschaffen, welches nicht etwa wie die bereits vorhandene Studienberatung Auskünfte zur Interpretation von Studienordnungen gibt, sondern aktiv in die Studiengestaltung und Lebensplanung der Studierenden eingreifen soll. Bestimmten Studierende bisher ihre Themenschwerpunkte und die Dauer ihres Studiums selber, sollen ihre Pläne von nun an auch der Beurteilung der ihnen zugeordneten ProfessorInnen unterliegen. Natürlich ist auch unter den bisherigen Umständen kein selbstbestimmtes Studium möglich; besonders die Länge des Studiums ist von der finanziellen Situation abhängig.
In dieser neuen Form der Zwangs-corporate-identity ist die persönliche Kontaktaufnahme ohne Rücksicht auf mögliche politische oder persönliche Zwistigkeiten zwischen den Studierenden und den überwiegend männlichen ProfessorInnen vorgeschrieben. Hier soll dem "väterlichen Freund" Rechenschaft abgelegt werden für die individuellen Studienpräferenzen, angebliche Unregelmäßigkeiten wie z.B. Überschreitungen der Regelstudienzeit und die dazugehörigen privaten Gründe. Der Professor hat auf Grund seiner strukturellen Autorität die Möglichkeit, nach eigenen Kriterien auf die Studierenden einzuwirken. Die StudentInnen werden überie strukturelle Abhängigkeit hinaus persönlich von ihm abhängig. Er weist sie an, wie sie, was sie, wie lange sie und womöglich warum und ob sie zu studieren haben. Das Mentorensystem ist somit als patriachal und paternalistisch abzulehnen.
Verbesserte Beratung?
Angeblich wird durch dieses Modell die Studienberatung erheblich verbessert. Diese angebliche Verbesserung besteht in einer qualitativen Verschiebung von Beratung auf Wunsch und Intiative des/der einzelnen StudentIn hin zur angeordneten Betreuung.
Was tun?
Keine/r muss sich im Moment den Kontrollgesprächen unterziehen oder
sich auch nur in die aushängenden Listen eintragen (auch wenn einige
das gern so hätten). Wer Fragen hat, sollte sich die Antworten freiwillig
bei der bereits existierenden Studienberatung holen können und nicht
von dem Wohlwollen oder der Ablehnung der Professoren abhängig sein.
Boykottiert das Mentorensystem!